Juli 2024 – in den hohen Norden

Norwegen – ein Reisebericht.
Ich freue mich – wie immer – sehr, wenn ihr mit uns reist.

2017 hatten wir schon einmal Anlauf genommen und waren am Fährterminal wegen eines fehlenden Ausweises gnadenlos gescheitert. Jetzt,  denke ich, ist alles dabei und nichts steht unserem Trip im Weg.

Für längere Reisen ist nun ein VW T6 Rockton unser Gefährt(e), den Uli sehr fachmännisch ausgebaut hat. Auf dem Dach unser bewährtes Dachzelt, so haben wir die Option, sowohl innen, als auch in luftigen Höhen zu schlafen.
In Vorfreude räume ich das Wenige in den Bus, was wir wirklich brauchen. Ein paar Lebensmittel für die ersten 3 Tage, Wasser, ein bisschen Kleidung für alle Wetter.

Knapp drei Wochen haben wir zur Verfügung. Unsere Anreise führt über Dänemark, mit der Fähre von Hirtshals nach Larvik, unterhalb von Oslo.
Wir haben nicht viel vorgeplant, lassen wir uns also überraschen. Gehört haben wir von Freunden immer nur viel Gutes, Dokus haben sich die schönsten Ecken herausgepickt und uns den Mund wässrig gemacht. Gespannt bin ich aber schon auch, wie viele Camper und Urlauber das gleiche Ziel haben wie wir. Es ist Hochsaison.
Die gezeichnete Map zeigt wie immer unsere Highlights des Trips. Ihr könnt die Karte zur Orientierung per Klick vergrößern. 

Zu Anfang möchte ich noch einmal kurz Ulis Arbeit würdigen. Jeden Millimeter ausgenutzt, mit schönen Multiplex-Platten und großer Sorgfalt ausgebaut – praktisch, stabil, toll. Die drei Schubladen im Heck kann man voll ausziehen und enthalten Kochelement, 2 Wasserkanister und Stauraum für die großen Sachen wie Leiter, Tisch und Stühle.
Innen ist Platz für Proviant, Kleidung, Schuhe, Geschirr und natürlich unseren Engel Fridge. Genial, wie jetzt alles so gut seinen Platz findet.

Es geht los …

Etappe 1 – Von Dänemark bis zum Nordland

Auf unserer Fahrt durch Dänemark begleitet uns Regenwetter. Gewitterwolken türmen sich auf, Waschküche auf der Autobahn. Ein nasser Start, unsere Stimmung trübt das nicht im geringsten. Im nördlichen DK, in Kollerup Strand angekommen, klart es etwas auf. Ein gutes Timing, wir können noch ein paar Schritte am Strand laufen. Sonnenstrahlen brechen durch die Wolken, die Steinchen am Strand glitzern. Schön!!

Der Morgen bringt Sonne. So am Meer aufzuwachen ist einfach das Beste! Nach dem Frühstück sind wir im Begriff aufzubrechen, als wir uns erstmal im Sand festfahren. Toll …
Doch das bringt uns jetzt nicht aus der Ruhe, haben wir doch schon etliche Erfahrung mit Sandfahrten. Wir sammeln Steine und legen sie unter, ein bisschen vor uns zurück, ein bisschen Schieben, ich werde dabei von oben bis unten mit Sand vollgespritzt. Irgendwann ist es geschafft. Ohne Allrad hätten wir keine Chance gehabt.

Auf diesen ersten Erfolg gönnen wir uns einen Kaffee in Blokhus, bevor wir zur Fähre weiterfahren. Es stürmt dort ordentlich. Das Flachwasser wird zu Schaum geschlagen, die Flocken lassen sich mit dem Wind über den weiten Strand tragen. Selbst den Möwen ist es sichtbar ungemütlich.

Die Fähre von Hirtshals aus bringt uns über die windgepeitschte See. Für Frischluft quetschen sich die Passagiere in die wenigen geschützten Ecken. Im Wind kann man sich wirklich kaum auf den Beinen halten. Knapp 4 Stunden dauert die Überfahrt bis Larvik.

NORGE !! Mir geht das Herz auf. Richtung Oslo beginnt unser Trip, durch die ersten Hügel und Berge, geschützt vor dem Wind. Oslo wäre natürlich interessant, doch beschlossen war von vornherein, dass wir Oslo separat besuchen. Also einmal durch bzw. unter Oslo hindurch und noch einige Kilometer weiter auf der Hauptverbindung |E6| Richtung Nord. Der Tag ist nun schon auffällig länger. Wir können in aller Ruhe einen Platz zum Schlafen suchen. An der Panengen Brygge gibt es einen Parkplatz mit einer kleinen hübschen Badestelle am Westufer des Sees Mjøsa. Und wer steht da schon? Ein Womo mit Gifhornern (unserem Landkreis). Kaum zu glauben.

Eine vorab entscheidende Frage war, wie weit wird überhaupt in den Norden fahren wollen. Bis Höhe Lofoten? Das klingt doch sehr vielversprechend. Danach rollen wir die Küste langsam von her oben auf.

Bis zu den Lofoten liegen noch 1.300 Kilometer vor uns. Wir bleiben also auf der |E6| und fahren möglichst zügig nach oben. Natürlich nicht, ohne auch nach links und rechts zu schauen.

Wir ziehen vorbei an den Olympiastätten von Lillehammer, durch viel Wald, Täler, Hügel, Tunnel und noch mehr Tunnel sowie diverse Großbaustellen. Wir staunen nicht schlecht, welcher Aufwand betrieben wird, um die Nord-Süd-Verbindung noch weiter, gerader und „komfortabler“ zu machen. Wir ordnen das persönlich unter der Kategorie „nichtwirklichnötig“ ein. Trotz Sommersaison ist es bisher ein entspanntes Fahren.

Wir machen Halt an einer beeindruckenden Stabkirche, der Ringebu Stavkyrkje. Sehr besonders, Holz in warmen Farben, schlichte Ornamentik, eine wunderschöner Atmosphäre. Ihr Ursprung wird auf 1220 n. Chr. datiert.

Wir sind gerade wieder zurück auf der Autobahn, als linker Hand ein wild-romantischer Gebirgsfluss smaragdgrün durch die Bäume schimmert, seine Ufer blank gespülte Felsen: Die Sjoa.
Bremse rein. Unsere Mittagspause ziehen wir kurzerhand vor, machen es uns wegen eines Regenschauers im Bus gemütlich und beobachten ein paar junge Männer, die an der Uferböschung und auf den Felsen herumklettern. Sie untersuchen offensichtlich den Streckenverlauf des Gewässers. Etwas später gehen wir eine Zuschauer-Gangway entlang und an Streckenhäuschen vorbei, Seile mit vertikalen Stangen sind von Ufer zu Ufer gespannt. Drei Kanuten paddeln professionell unter uns vorbei. Aha! Ein Wettkampfort.

Gegen Abend sind wir bereits fast auf der Höhe von Kristiansund. Am See Gjevillvatnet soll es eine kleine Bucht geben, geeignet für eine Übernachtung für 1-2 kleine Camper. Sagt unsere App. Wir biegen nach links von der |E6| ab. Der lange See liegt ruhig da, umgeben von sanften Hügeln, in deren Mulden noch der Schnee liegt. Die Stimmung ist sehr mystisch. Mehrere Kilometer Uferstraße liegen noch vor uns bis zu dieser netten Bucht. Was uns die App nicht verraten hat: sie sind kostenpflichtig. Ok, das hätten wir jetzt so nicht gedacht. Sollen wir’s riskieren? Der kleine Platz könnte schon belegt sein.
Da es hier am See keine Alternativen gibt, versuchen wir unser Glück. Jede Menge kleiner Holz-Ferienhäuser reihen sich am Ufer und unter den Bäumen bis zu einem großen weiten Sandstrand. Manche Hütten sehen wirklich aus wie aus dem Bilderbuch, mit ihren Moos bewachsenen Dächern.

In der Nähe des Strands liegt auch unsere Wunschbucht. Nur leider ist sie nicht erreichbar. Eine Schranke versperrt den Zugang, wir vermuten, die ohnehin private Zufahrt wurde noch weiter privatisiert.
Aber wir nutzen die schöne Umgebung zumindest für einen Auslauf, genießen die Ausblicke, bevor wir vom Gjevillsvatnet Abschied nehmen und den langen Weg zurück und bis zu einem anderen See, dem Granasjøen weiterfahren.

Granasjøen. Wir trauen uns, eine ziemlich aufgeweichte kleine Stichstraße zum Ufer hinunterzufahren, rangieren den Bus in Position und haben für die nächste Nacht einen schönen Blick auf’s glasklare Wasser. 
Eine regenschwache Phase erlaubt uns einen längeren Verdauungsspaziergang. Blick wie immer auch zum Boden, Holz, Wurzeln … da liegt und schwimmt so einiges herum. Ich schaue genauer hin. Wie toll ist das denn?! Eine Wurzel ist schöner und fantasievoller geformt als die andere! Richtige Skulpturen! Und im Bus ist kein Platz … Mir bleibt nur, Fotos davon zu machen.

Ein kleiner Fluss namens Minnilla mündet in der Nähe in den See, ein Blick auf die „Organic Maps“ zeigt, dass wir dem Wasser landeinwärts folgen können, auf einem ganz offiziellen Rundwanderweg. Ich kann mich von meinen Wurzeln irgendwann trennen und wir marschieren entlang einer recht wilden Klamm, durch lichten Wurzel-Wald, über Felsen und moosigen Boden bis zum tosenden Fossefall

Der nächste Tag, die Fahrt geht weiter nordwärts, vorbei an Trondheim, entlang unseres ersten Fjords: dem Trondheimfjord. Wir ducken uns unter einem großen Torbogen und … rollen nach Nordland hinein.

Zwei Elche! Uli entdeckt sie in großer Distanz auf einer Wiese. Jetzt sind wir angefixt und halten weiter Ausschau.

Etappe 2 – Lomsdal-Visten bis zu den Vesterålen

Westlich von Trofors beginnt der Lomsdal-Visten National Park. Wir sind der Meinung, für heute genug gefahren zu sein, biegen auf die |76| ab, suchen uns einen Wanderparkplatz und starten in die Berge. Die „Organic Maps“ offline in der Hand (die Maps sind übrigens sehr zu empfehlen!).

Viva GoreTex! Mal sehen, ob unsere Socken wirklich trocken bleiben. In Mulden ist der moosige Boden weich bis triefend nass. Anfangs sind Bohlen oder Matten gegen das Einsinken verlegt, die ein bisschen helfen. Wir umrunden Pfützen und Moore. Ein paar wiederkehrende große Hufspuren beschäftigen uns, ich halte konstant Ausschau nach meinem ersten Elch in Reichweite. Das wäre doch was! Sie sind ja äußerst scheu, aber in dieser Hügelei ist es auch äußerst einsam.

Irgendwann stehen wir im hohen, nassen Gras und der Pfad verlässt uns. Wir suchen ein Weile nach Hinweisen wo es weitergehen könnte, gehen ein Stück zurück und wieder vor, nichts. Querfeldein weiterzuwandern ist keine gute Idee, daher brechen wir diese Tour ab, lassen noch einmal die Blicke über die schöne, Wolken verhangene Landschaft schweifen und kehren zum Bus zurück.
So wie heute hatte ich mir die norwegische Wildnis immer vorgestellt, wenn auch nicht ganz so feucht.

Auf der Suche nach einem Schlafplatz läuft uns dann tatsächlich ein Elchkind über die Straße, der Mama hinterher. Uli ist Zeuge, meine Reaktion war leider etwas langsam.

Bjørns Plass – unser Übernachtung-Spot ist phänomenal. Zu Ehren irgendeines Bjørn ist hier mitten am Hang ein modernes, architektonisches Kleinod platziert, mit Plattform, einem „Loo with a View“, Grillplatz und Teekanne. Chic! Wir sitzen da ganz mondän über dem Abgrund, sehen den Himmel sich verfärben und blicken ins das dichte Grün vor uns.

Tag V: Das Wetter ist heute vielversprechend. Wir wollen es nutzen, verschieben die Weiterfahrt und bleiben im Nationalpark. Die Tour auf den Storklumpen (1293 m) – ihr könnt ihn aussprechen, wie ihr mögt – ist ganz nach unserem Geschmack. Nach einer supersteilen Passage durch dichten Wald erstreckt sich um uns herum felsige, karge Landschaft – ich liebe das! Das Blåfjellet ist bespickt mit kleinen, tiefblauen Seen, Moosteppichen und unglaublicher Pflanzenvielfalt. Man merkt, die Natur gibt hier in den kurzen warmen Perioden richtig Gas. Etwas weiter oben erscheinen die ersten Schneefelder, der Fels glitzert wie Silber und Gold, es wird merklich kälter. Kleidung von T-Shirt bis Daune macht Sinn auf dieser Tour. Ganz oben sind wir froh über unsere dicken Anoraks und entzückt vom 360 Grad Rundumblick. 
Wir begegnen keinem Menschen und haben diese traumhafte, wilde Landschaft ganz für uns.

Wir variieren den Abstieg, möchten einen Zwischenaufstieg vermeiden. Anfängerfehler. Wir brauchen natürlich länger, hangeln uns teilweise an Felshängen entlang. Irgendwann treffen wir wieder auf den bekannten Pfad und erreichen nach 7 Stunden unseren Bus. Ein bisschen ausgepowert, aber froh und glücklich.

Tag VI: Nach einer Übernachtung am Langvatnet (Bjørns Plass war besetzt) geht es für uns weiter hoch auf der |E6|.

Wir hatten so gar nicht an ihn gedacht und plötzlich ist er da: der Polarkreis. Auf dem weiten Saltfjellet, auf dem sich die Hügel im Dunst verlieren, wird uns das Polarsirkelsenteret angekündigt. Ein großer Bau, ein noch größerer Parkplatz, zig Camper in allen Größen. Die Steinsäule/der Fotospot zeigt, wo wir uns befinden: 66° 33′ (55“). Ich lasse es einsinken: wir sind nun in der Polarregion.

Am Nachmittag noch erreichen wir Bognes. Wir sind nun sogar schon höher als die Lofoten. Der Plan: Wir setzen von hier aus nach Lødingen über. Diese Fährstrecke ist eine von mehreren Möglichkeiten Richtung Lofoten, nicht die direkteste, daher vermutlich auch nicht ganz so beliebt. Wir kommen ohne Probleme ohne Vorbuchung mit.
Die Überfahrt ist ein Erlebnis. Markante Berge tauchen aus den Wolken auf oder verschwimmen am Horizont als bläuliche Silhouetten. Durch ein paar kleine, einsame Felsenhäuschen begreifen wir die wirklichen Proportionen zwischen Landschaft und Mensch. Auch die Gegenfähre wirkt richtig klein gegen die massiven Hänge.
Lødingen liegt auf der Insel Hinnøya. Hier trennt sich dann, was westlich zu den Lofoten oder nördlich zu den Vesterålen fährt.

Je höher und weiter draußen, desto besser! Wir richten uns erst einmal nach Norden, die Lofoten laufen nicht weg.

Etappe 3 – Andøya | Vesterålen

Über Hinnøya erreichen wir Andøya, lang und schlank reckt die Insel sich nach Norden.
Ich weiß, dass man an der Nordspitze bei Andenes vielleicht sogar Wale sehen kann. Träumen darf man 😉 Wir durchkreuzen weite grüne Ebenen, umrunden oder durchtauchen immer wieder steile Massive, die wie Vulkane aussehen, bis wir an der Westküste ankommen. In Nøss rollen wir in Nachbarschaft eines alten, quietschgelben VW T2 mit einem deutschen Paar auf das Kiesbett. Man grüßt sich, aber irgendwie wollen wir beide diesen Spot und die Stimmung alleine geniessen.

Tag VII: Wie cool ist das? Da sind wir auf der Suche nach sanitären Anlagen zur Morgenerfrischung und finden Bukkekjerka Rasteplass – wieder so ein phänomenales Örtchen. Diesmal mit verspiegelten Wänden und Meerblick. Ich fühle mich sehr wertgeschätzt.

Den Küstenabschnitt auch von oben zu sehen, ist natürlich ein Muss. Die Bergspitzen und Plateaus sind allerdings auch an diesem Morgen Vormittag im Dunst.
Unterhalb von Bleik thront der Måtind. Wir haben Hoffnung, dass sich die Wolken verziehen, bis wir oben sind. Nicht ganz, aber fast. Der stürmische Wind hilft und wir haben zeitweise Sicht bis zur Vogelinsel Bleiksøya. Unter uns der weiße Otervika Beach. Da wollen wir auf jeden Fall auch noch hin. 
Wir begegnen während des Abstiegs einer jungen Frau, die sich vergewissern will, ob sie richtig ist? Wohin will sie denn? Sie schimpft, wie gefährlich doch der Weg sei, sie wirkt etwas fertig. Wir weisen ihr den Weg und fragen uns, was da wohl noch auf uns zukommt, da unten.
Das Picknick, der Sand zwischen den Zehen, die sanfte Brandung am Strand, entspannend.
Der Weg aus der Bucht und um den Måtind herum erfordert dann Konzentration. Wir steigen von Stein zu Stein, setzen Fuß vor Fuß, von Felsen zu Felsen und müssen zum Schluss auch ein bisschen klettern. Ja okay, das finden manche vielleicht nicht ganz so witzig. Wir mögen das ja …

Ein roter Leuchtturm markiert die Nordspitze Andøyas. Andenes sieht aus wie ein Ort, der viel Frost und Schnee ausgesetzt ist. Pragmatisch, ungeschönt. Wäre wirklich interessant, ihn auch mal im Winter zu sehen. Wir besteigen mit einem Guide und einer belgischen Familie den Leuchtturm, lassen uns ein bisschen zur Historie aufklären und (im Windschatten) den Blick über das Meer der Inselchen schweifen. Die Besiedelung der Region wird bis ins 6. Jahrhundert zurückdatiert. Im Mittelalter war die Ansiedlung der größte Fischereihafen Nordlands. Mit Stockfisch (Skrei – Atlantischer Kabeljau) wird hier schon immer gehandelt, wir sehen mehrere der im Moment leeren Holzgestelle, an denen die Fische zum Trocknen aufgehängt werden.
Walfang war natürlich auch üblich. Verschiedene Walspezies kommen ganzjährig an der Spitze vorbei um zu fressen. Whale Watching ist eins DER Attraktionen, ein Walkiefer dekoriert den Eingang des Gebäudes.
Auch vom Festland kann man gelegentlich Wale sehen, aber meist sind sie doch weiter draußen. Orcas seien die Tage da gewesen, meint der Guide. Ich schaue mit zusammen gekniffenen Augen zum Horizont.

Derzeit wird für Andenes ein Touristenzentrum/Museum namens THE WHALE geplant. Das futuristisch anmutende Gebäude bekommt die organische Form einer Walflosse (inzwischen wird es wohl schon gebaut). 

Etappe 4 – Nyksund | Selvågtinden 

Ein Gespräch mit einem einheimischen Mitarbeiter der Müllabfuhr an jenem architektonisch hübschen „Örtchen“ von heute Vormittag (Bukkekjerka Rasteplass) hat uns zum Nachdenken gebracht. Seine Meinung: Die Vesterålen, auf denen wir uns gerade befinden, seien genauso schön wie die Lofoten, aber längst nicht so voll. Hm … er könnte es wissen.
Sein Tipp: Nyksund. Es sei sehr besonders. Ok, wo liegt Nyksund?
Nach einer Übernachtung an einem Minihafen am unteren Zipfel von Andøya verlassen wir die Insel, um dann über Sortland in den Nordwesten der Vesterålen einzutauchen. Kurve an Kurve, Bucht an Bucht, Idylle pur  – selbst bei grauem Wetter ist das schon besonders. Das kleine Nyksund liegt am Ende einer einspurigen Küstenstraße, am wirklich allerletzten Zipfel.  
Wir sind nicht die einzigen hier, Besucher quetschen sich in den nicht allzu großen Parkplatz hinter dem Wellenbrecher. Die Ansiedlung hat Anziehungskraft, vornehmlich durch seine Geschichte. Einst lebendiges Fischerdorf wurde es irgendwann zu klein für größere Boote und Trawler. Es wurde zum „Geisterdorf“. In den Achtzigern wurde es wiederentdeckt, und zwar von ein paar kreative Deutschen. Sie fingen zusammen mit benachteiligten Jugendlichen an, die maroden Häuser zu renovieren.
Nyksund hat schon ein besonderes Flair. Es wirkt partiell etwas marode, aber auch ein bisschen künstlerisch. Hinter den alten Holzfassaden verbergen sich zwei bis drei gute Restaurants, Cafés.  Man müsste hinter all diese Türen schauen können. Wir essen Stockfisch und Lasagne in einem sehr urigen Restaurant und beobachten die lautstarke Hausbesetzung der Möwen gegenüber.

Nach einem Dorf-Rundgang und einem Besuch im Trödelladen sitzen wir in einem kleinen Café (mit tollen Fotografien) und sind eigentlich bereit für die Weiterfahrt. Uli geht zahlen.
Eine junge, dynamische Frau in wasserdichter Montur spricht mich an: Es wären jetzt gerade Pilot Whales (Grindwale, Familie der Delfine – 6 bis 8 m lang) da draussen und ob wir nicht Lust hätten, mit auf Tour zu gehen? Äh, ich bin überrumpelt. Kurze Bedenkzeit.
Uli hat meine glitzernden Augen wahrscheinlich sofort gesehen, als er wiederkam. Nach Austausch von ein paar Infos sagen wir ja. 

Da sitzen wir also dick eingepackt zu sechst (mit Pilotin) in diesem Rib (Rigid Inflatable Boat – ein sehr schnelles Schlauchboot) und springen über die Wellen. Ich habe gar keine Gelegenheit zu überlegen, ob mir jetzt schlecht werden soll. Wir flitzen, bis wir in einiger Entfernung erst jede Menge Puffins (Papageientaucher) sehen und später dann die schwarzen Finnen und Rücken der Wale. Und es sind VIELE. Motor aus, wir warten still ab. Und sie kommen. Was für ein Erlebnis! Mal weiter weg, mal ganz nah, mal einzeln, mal Familie. Unser fünfter Mann ist ein Taucher, möchte zwischen den Walen schwimmen und sie unter Wasser filmen. Drei Wale steuern uns direkt an wie U-Boote und tauchen tatsächlich direkt unter dem Boot durch. Uli gibt dem Taucher das Zeichen – jetzt! Richard Abele schickt uns netterweise ein paar Tage später das Video davon.

Bis Oberkante erfüllt von diesem Naturerlebnis gehen wir zum Bus zurück. Wir hatten wohl richtig, richtig Glück, es ist selten, dass sie so nahe kommen. Sogar für unsere Pilotin war es eine außergewöhnliche Erfahrung.

Ein Stück die Westküste runter finden wir einen schönen Übernachtungsplatz. Fällt euch was auf?  WIR HABEN SONNE! Wir essen gemütlich und lassen in dieser blau-grünen Kulisse den Abend kommen.

Irgendwann IST Abend, aber immer noch heller Tag. Die Landschaft strahlt nur so, wie soll man da schlafen?
Wir packen unseren Rucksack und die Kameras, gehen um 20 Uhr vom Bus aus los und nehmen uns einen Rundweg vor. Höchster Punkt: Selvågtinden. 568 Höhenmeter, direkt über uns. Wir marschieren über saftig grüne Wiesen, weiter oben dann ins felsigere Gelände. Die Aussicht ist unbeschreiblich. Das dauerhaft warme, flache Licht begleitet jeden unserer Schritte, rotes Gestein wird immer roter, der Himmel immer bunter, die Sonne bleibt. Lasst mich einfach für immer hier sitzen! Wir trinken zur Feier dieses Tages einen Whisky da oben. Uli hat an alles gedacht 😉
Weit nach Mitternacht kommen wir wieder am Bus an. Die Sonne nähert sich dem Horizont und ich schlafe ein im Wissen, dass sie nicht untergeht.

Etappe 5 – Richtung Bodø

Der Urlaub dauert nicht ewig, wir müssen leider weiter. Über eine beeindruckende, elegante Brücke gelangen wir auf die Insel Hadseløya. Stokmarknes ist unsere Gelegenheit, die Vorräte wieder aufzufüllen und richtig guten Kaffee zu trinken. Hier steht auch das Hurtigrutenmuseet.
Das Wetter ist eindeutig zu schön für ein Museum, wir folgen der Uferstraße in den Westen, gehen kurz schwimmen in einer der wenigen Badebuchten und finden unsere ersten reifen Moltebeeren. Ich kann sie geschmacklich nicht wirklich einordnen. Wahrscheinlich schmecken sie einfach nach Moltebeeren.

Von Melbu möchten wir nach Fiskebøl/Lofoten übersetzen. Hm … bisher waren unsere Überfahrten kein Problem, hier steht uns nun eine längere Wartezeit bevor. Die Schlange ist nicht gerade kurz und die nächste Fähre geht in 2,5 Std.. Wir wissen nicht, ob wir überhaupt mitgenommen werden. Die Alternative: Zurück über Sortland nach Lødingen und von dort auf’s Festland nach Bognes. Die Fährstrecke also, die wir schon kennen. 
Die Entscheidung ist schnell gefallen. Lieber gemütlich durch die Lande fahren als warten. Die Lofoten werden wir dadurch nicht erleben, wir geben jetzt der Fahrt Richtung Süden etwas mehr Zeit. Es gibt ja sicher ein nächstes Mal.

Das Festland hat uns wieder. Und vor uns liegt eine schöne Küstenstrecke. Sagt man so.
Nahe Ulsvåg finden wir mal wieder einen Traumspot zum Schlafen. Flache Felsen recken sich in die Bucht und für eine Handvoll kleiner Camper ist Platz. Wir wählen die Pole Position, klappen das erste (!) Mal das Dachzelt auf. Hier ist das ideal, kein Wind, kein Regen, genügend Platz,  Stille legt sich über das Wasser, die Insel Tannøya als Silhouette gegenüber.

Nächster Tag: Unser Ziel ist Bodø. Hier beginnt der berühmte Kystriksveien (Küstenweg)

Die liebe |E6| bringt uns ein Stück südlich, die bekannte Strecke jetzt andersherum und sonnenbeschienen. Ein völlig anderer Eindruck. An den Spiegelungen im Wasser kann ich mich nicht sattsehen.
Dann biegen wir auf die |80| und sind bald in Bodø, pünktlich zum Mittagessen. Hier ist ordentlich was los, Stadthafenbetrieb, Bistros, Cafés. So ein Kontrast zur Einsamkeit der Inseln! Internationale Gruppen von jungen Mädels laufen geschminkt und in Tanzmontur durch die Strassen und singen. Ich google. Eine Tanz-Competition findet statt. Bodø scheint ein bekanntes Pflaster für große Tanzveranstaltungen zu sein.

Statt in freier Natur quartieren wir uns diesmal auf einem Campingplatz ein. Wäsche waschen geht nur in einer Anlage, Waschsalons gibt es praktisch nicht. Der Platz liegt außerdem strategisch günstig. Fünf Fußminuten entfernt wirbelt vor einer Bergkulisse der Saltstraumen, ein großer Gezeitenstrudel. Von der Brücke sieht man die großen Kreise gut, zum Höhepunkt des Gezeitenwechsels fegen Schnellboote mit Touristen drüber hinweg.
Wir beobachten von oben, wie eine Entenfamilie sich waaghalsig an die Überquerung des Flusses macht. Sie wussten, was sie taten. Wir entspannen, als sie die Mitte hinter sich haben. 

Etappe 6 – Svartisen Gletscher

Südlich von Bodø beginnt bald der Saltfjellet-Svartisen National Park. Mit einem der großen Gletscher Norwegens. Anders als in den Alpen kommt man hier etwas schneller in die Nähe von uraltem, blauen Eis. Unbedingt will ich mir das anschauen! Von Holandsvik fährt ein frühes Boot über den Fjord und einmal um die Kurve und setzt uns mit einigen Gleichgesinnten am Svartisen Gård ab. Hier kann man entweder ein Rad mieten oder 5 km zu Fuß entlang des Svartisvatnet bis zum Fuß des Gletschers gehen. Wir laufen (aber es gibt durchaus Momente, wo ich mich frage, warum).

Die riesige Gletscherzunge reicht längst nicht mehr bis zum See. Viele machen sich aber auf den Weg und steigen weiter hoch, um sich das näher anzusehen.

Ich finde es einfach nur toll, vor diesen meterhohen mächtigen Eisfurchen zu stehen und fotografieren zu können. In jeder Spalte steckt ein Bild, eine Struktur, ein Farbverlauf, ein Kunstwerk. Pure Ästhetik.

Wir hangeln uns ein bisschen höher, um noch einmal andere Blicke zu haben, verfolgen zwei Grüppchen, die eine Gletschertour gebucht haben. Sie sind so winzig klein auf dem Eisfeld. So klein fühle ich mich auch angesichts dieser alten Majestät. Es kracht hin und wieder laut, das Eis bewegt sich.

Nach ich-weiß-nicht-wie-vielen Fotos, viel Felsenkletterei, Momenten des Innehaltens und kurzer Tuchfühlung mit den glänzenden Eisbrocken am Ende der Gletscherzunge steigen wir ab und entdecken auf halbem Weg einen versteckten, idyllischen Rockpool. Sehr erfrischend :). Das Eiswasser hat schon ein paar Meter hinter sich und sich am warmen Gestein wärmen können. Man kann es kurz aushalten.
Anschließend queren wir die bunt gezeichneten Felsen, die so unendlich lange unter dem Eis verborgen waren, bis zum tosenden Wasserfall. Das blaue Gletscherwasser beruhigt sich nach drei großen Cascaden in einem Kiesbett, bevor es weiter nach unten donnert und schließlich in den türkisen See fließt.
Als eine der letzten Tagesausflügler steigen wir ab.  Die vorletzte Fähre werden wir gerade so verpassen, daher peilen wir die letzte an und lassen das Erlebnis bei einem Kaffee auf der Terrasse des „Brestua“ mit Blick auf den Gletscher ausklingen. Ein viel bessere Lage kann man als Restaurant wirklich nicht haben.

Etappe 7 – Kystriksveien | Laksforsen | Trondheim

Nach diesem Highlight setzen wir die Küstenerkundung fort. Wir wachen mit Prachtwetter auf, essen draußen in einer Wahnsinns-Kulisse. Es ist warm und sommerlich, um uns herum Schäreninseln, Berge und tiefblaues Wasser. Wir fahren die Fjorde teilweise aus, bei manchen müssen wir die Fähre nehmen.

Apropos Fähre: diese Kurzfähren fahren alle zeitgemäß elektrisch, werden am Kai geladen. Hat man für das Auto den „Autopass“ angemeldet, kann man alle Autobahnen, Tunnels und die meisten Fähren nutzen. Das Kennzeichen wird einfach nur von einer Kamera eingelesen (und am Ende kommt die dicke Rechnung ;).
Einige kleine Fähren rechnen extra ab, aber auch digital. Die Norweger sind sehr smart unterwegs. Auch im kleinsten Geschäft braucht man in der Regel kein Cash.

Wo war ich? Ja, wir setzen also wie die meisten anderen mit dem Schiff über. Nach der dritten, vierten Fähre stehen die Wartezeiten an den Terminals für uns allerdings in keinem Verhältnis mehr zur Strecke ZWISCHEN den Fähren. Wir lassen eine Ecke des Kystriksveien aus. Kurz vor Leira biegen wir ab Richtung |E6|. 

Ich schaue auf der Karte, ob etwas Interessantes auf unserer „Detour“ liegt und entdecke Laksforsen. Ein Fluss/ ein Wasserfall, der je nach Jahreszeit voller Lachse ist, die sich bis zu den Laichplätzen hinauf kämpfen. Ich google. Wir sind etwas spät dran, doch vielleicht gibt es noch ein paar Nachzügler….? Wir haben wirklich Glück und sehen noch ein paar wenige Fische springen. Ich kann nicht begreifen, wie sie dieser donnernden Wasserkraft trotzen. Sie zu fotografieren ist eine echte Herausforderung. Man kann die Kamera eigentlich nur auf eine Stelle richten, sich nicht ablenken lassen und auf eine passable Reaktionszeit hoffen..

Der Umweg ist zu Ende, wir befahren Neuland. Bei Medjå verlassen wir die Autobahn Richtung Namsos. Der Kystrikvejen hat uns wieder. 
Uns interessieren die kargen Inseln ganz draußen, Außerdem möchten wir uns bewegen und in die Höhe, einen Blick von oben auf die Umgebung werfen. Eine kleine Tour auf das Liafjellet in Kvaløysæter in der Nähe von Flatanger scheint uns von der Länge her ganz passend. Wir parken am Straßenrand neben einem kleinen „Lost Place“, einem alten Hüttchen mit einer entzückenden Teekanne im Fenster. Ein Auto hält neben uns: es kommt aus dem Gifhorner Landkreis (schon wieder!!). Es ist mal wieder nicht zu fassen, wir sind hier wirklich in der völligem Abgeschiedenheit.
Man ist zum Angeln hier.

Blaubeeren versüßen uns den Aufstieg. Da wo sie der Sonne ausgesetzt und geschützt liegen, sind sie sogar tatsächlich etwas weniger säuerlich. Oben, auf 108 m, pfeift uns dermaßen der Wind um die Ohren, dass wir froh sind, ein Shelter aus Naturstein vorzufinden. Mitsamt Gipfelbuch, gut eingepackt in einer Tüte für Tiefkühlgemüse. Wie nett 🙂
Vor uns liegt die Schären-Küste ausgebreitet. 

Nach unserer nächsten Übernachtung auf Lauvøya inmitten der Schärengegend ist es Zeit für ein bisschen Stadt: Trondheim
Ich bin gespannt, denn ich verbinde Trondheim mit einem spannenden Umweltkrimi, den ich mehrmals gelesen hab: Der Schwarm. Trondheim: Forschungsstadt, Stadt der Meereswissenschaften.
Für uns jetzt ein schöner Kontrast: Ein paar Stunden Stadtbummel, Essen, Kaffee, schönes Altstadtflair, insbesondere im alten Teil Bakklandet mit seinen schönen Holzhäusern, ein kleiner Mittelaltermarkt und der Nidaros Dom, einst Krönungsstätte norwegischer Könige und deswegen auch Nationalheiligtum.

Etappe 8 – Atlanterhavsveien | Geirangerfjord

Nach Trondheim folgen wir der |E39| nach Westen biegen auf die |660| Richtung Küste ab, suchen uns ein Plätzchen und finden Heimsvatnet, einen stillen See. Ein paar Tagesausflügler sind noch hier zum Picknick. Später bleiben nur drei junge Leute und wir. 

Der nächste Vormittag bringt mir etwas Besonderes. Wir passieren ein schönes, buntes altes Haus im Verfall, es sieht aus wie hingemalt. Uli parkt am Straßenrand. Schnell ein paar Fotos von außen, unbedingt! Die Tür steht offen. Da mich kein Schild und Zaun abhält schaue ich dann doch kurz hinein. Alte Gebäude erzählen immer Geschichten. Das hier besonders. Schwer das Gefühl zu beschreiben, das mich überkommt. Einiges ist kaputt, aber es sieht auch so aus, als wäre der ältere Herr und Hausbesitzer gerade erst aus der Tür gegangen und würde gleich wiederkommen. Besonders durch die Kleidung, die am Haken hängt, der Rasierapparat auf dem Regalbrett. 

Ein einfaches Leben ist hier scheinbar abrupt zu Ende gegangen und der Ort ist so geblieben wie er war oder wurde so belassen, wie er war? Ich werde ihn nicht vergessen.

Der 8 km lange Atlanterhavsveien zwischen Kristiansund und Molde ist auch etwas, was wir uns anschauen und einmal befahren wollen. Er ist im Prinzip fast eine einzige Brücke zwischen mehreren Schären. Also … reihen wir uns ein in die vielen, die das auch sehen wollen. Befindet man sich auf dem höchsten Punkt der Storseisundbrua kann man die Schwünge der Straße schön vor sich zu sehen.

Viel zu schnell haben wir die paar Kurven hinter uns gebracht. Es würde sich lohnen, zwei Wendeschleifen zu bauen, so könnte man ein paar Mal hin und her …
Mit einem Picknick verlängern wir den Aufenthalt noch ein bisschen, dann geht es weg vom offenen Meer.

Nach der Kurvenfahrt von der Küste weg, an Fjorden und Seen entlang und durch viele lange Tunnels kommen wir zum Inbegriff der Fjorde, dem Geirangerfjord. Der beste Halteplatz, um von ganz oben einen Blick nach ganz unten zu werfen ist völlig überfüllt (Ørnesvingen, ca. 500 m hoch). Es herrscht totales Chaos :D.  Beinahe jeder hat einen mehr oder weniger großen Camper, der irgendwo hin muss und auch wieder weg muss. Jeder fotografiert jeden  – na ja , vielleicht nicht ganz.
Mich wundert, dass nicht ein paar Menschen überfahren werden. Wir ergattern einen Parkplatz, um ein bisschen abseits zu gehen und uns für ein paar Minuten den Blick zu gönnen. Beeindruckend!

Dann „kehren“ wir die Mølssbygda, die Serpentinen nach unten bis zum Ort Geiranger und von dort wieder ein Stück nach oben. Wir haben ein bisschen Hunger und Vesterås Restaurant könnte Abhilfe schaffen. Es liegt in luftiger Höhe und verspricht bestes Panorama. Gebucht haben wir nicht, deswegen bin ich auch ca. 95% skeptisch, dass wir an DIESEM Ort speisen können. Wer nicht wagt … oh Wunder, wir können. Wir essen mit Blick und vorzüglich! Danach nutzen wir den Gästeparkplatz weiter, um uns noch die Beine zu vertreten. Løsta ist ein gutes Ziel, Ende eines Höhenwegs mit schönen Blicken auf den Fjord. Selbstbewusste Lamas laufen hier frei herum, wir sind nicht ganz sicher, wie nahe wir ihnen kommen sollen. Wir lassen sie einfach mitgehen 🙂

Die Sonne sinkt langsam hinter die Berge. Wir verlassen den Fjord im Osten, erklimmen den Geirangersvegen und lassen den Schatten vorerst unter uns. Schnell sind wir auf 1000 Höhenmetern, die ersten Schneefelder erscheinen. Wir schauen uns nach einem Schlafplatz um, die hier ein bisschen umkämpfter sind. Die ersten Parkplätze mit bestem Blick auf den Fjord sind längst voll, aber wir haben diesbezüglich Geduld. Ganz oben auf der Hochebene finden wir eine Nische, ebenfalls MIT Panorama. Die Sonne erleuchtet noch die Bergspitzen und hinterlässt uns einen bunten Himmel. Trotz der Strassenlage schlafen wir ruhig, es kommt hier in der Nacht fast niemand vorbei.

Etappe 9 – Oldedalen | Briksdalsbreen

Ein klarer, kalter Morgen, ein eiskalter Bach zum Erfrischen. Ein schöner Tag liegt vor uns … wir fahren früh los ohne Frühstück, unser Ziel ist heute das Oldedalen
Von der |63| biegen wir auf die |15|. Erst am Oppstrynvatnet (Hjelle) machen wir halt. Vor uns liegt der blaugrüne See, klar wie Glas, kein Lüftchen regt sich. Wir frühstücken in der Sonne, ich stecke meine Füsse ins Wasser. Paradiesisch.

Das Oldedalen liegt im Jostedalsbreen Nationalpark und kam in einem sehr schönen Film vor: „Lieder der Erde“ von Margreth Olin. Wir wurden also inspiriert, ganz genau wissen wir allerdings nicht, wo der Film gedreht wurde. Wir schauen mal.
Auch hier kommt man in die Nähe eines Gletschers, dem größten auf dem europäischen Festland und das nutzen hier eindeutig sehr viel mehr Menschen als im Norden beim Svartisen. Wir hätten die Wahl zwischen einer Bahn, die uns das erste Stück nach oben bringt oder aber wir gehen zu Fuß. Natürlich.
Am tosenden Kleivafossen müssen alle vorbei. Eine Urgewalt. Das ist Spaß, man wird richtig nass :). Dann ein kurzer Aufstieg und wir sind am türkisen Gletschersee unterhalb des Brikdalsbreen (zur Gletscherzunge kommt man nicht wirklich, es ist zu steil). In der Nähe des Sees startet aber eine fast genauso steile Bergtour hoch zum Gipfel des Larsnibba bzw. zu einem weiteren Gletscherarm.
Wir schaffen es zeitlich leider nicht bis ganz hoch zum Eis, haben aber einen fantastischen Blick rüber auf die Eisdecke, die grafischen Strukturen, die Wasserfälle und „zarten“ Wasserstraßen nach unten. 

Den Film haben sie eindeutig woanders gedreht. Aber das macht nichts.

Nebel liegt am nächsten Morgen im Oldedalen. 
Ich hatte ursprünglich den Rondane Nationalpark mit seiner wilden Landschaft und den Moschusochsen als nächstes Ziel im Visier, aber je weiter im Landesinneren bzw. Osten, umso nasser das Wetter. Die Gegend liegt direkt an der Grenze zu Schweden.
Dann eben wieder Westen. Wir fahren nach Bergen. Die Stadt mit Hanglage verspricht Sonne, ein gutes Abendessen und sicher einen interessanten Stadtbummel.

Etappe 10 – Bergen | Bergener Fjell

Wie durch ein Wunder ergattern wir einen der wenigen Stadtparkplätze, wo man eine Nacht stehen kann. Das war nicht wirklich ein Geheimtipp! Nun ja, um in die Altstadt zu kommen, dürfen wir Sport machen. Es geht steile 200 Höhenmeter runter und abends wieder rauf. Das mag vielleicht nicht jeder.
Die Fronten der Handelshäuser von Bryggen leuchten um die Wette. Die Sonne steht schon recht flach, am alten Kai tummelt sich alles, was Beine hat. Wir verabreden uns mit einem Fischrestaurant in einem der alten langen Holzhäuser. Sehr, sehr urig!
Die Handelshäuser hatten große Bedeutung für die Hanse, vor allem im 14. bis 16. Jahrhundert. Sie sind immer mal wieder durch Brand zerstört worden, aber nach alten Mustern und Traditionen wieder originalgetreu aufgebaut worden. Ein UNESCO Weltkulturerbe.
Nach dem Essen laufen wir noch kreuz und quer durch die Gassen, die Geschäfte machen langsam zu, die Lichter gehen an. Street Art gibt es an vielen Ecken und einfach Interessantes zu entdecken (Das reimt sich :). 
In der Dämmerung steigen wir Richtung Auto hoch, der Himmel brennt.

Das Bergener Fjell ist Naherholungsgebiet der Städter. Ohne ins Auto steigen zu müssen, können sie einen der Wege nehmen, die direkt von den oberen Häusern in den Wald und bis aufs Plateau führen. Wie praktisch!
Wir finden einen solchen Weg und fühlen uns ruckzuck wie im Alpenvorland, sogar die Glocken fehlen nicht. Uli wird als Hirte adoptiert, Ziegen und Schafe heften sich an seine Fersen. Oben angekommen, haben wir einige Variationen zur Auswahl, welche Runde wir gehen wollen. Wir entscheiden uns für die längste, von Steinmännchen zu Steinmännchen. Es ist herrlich hier oben.
Die Hauptroute vom Ulriken den ganzen Ostgrat des Fells entlang ist gut frequentiert durch andere Touristen und viele Bergläufer. Es ist vermutlich ihre „Schnell mal nach der Arbeit-Runde“.
Aber es gibt auch Ecken, wo wir fast für uns sind. Bergen liegt westlich unter uns und erstreckt sich über mehrere Hügeln. 

Etappe 11 – Hardangervidda bis zum Meer

Die Rund-Tour war doch etliches länger als wir dachten. Vor allem kommen wir im Stadtbereich nicht wieder da an, wo wir unseren Bus geparkt haben. Wir müssen noch eine ganze Weile durch die Häuserreihen queren, mal rauf, mal runter. Ich bin danach wirklich froh, das Auto zu sehen ;).
Wir verlassen die Stadt noch am Nachmittag. Schon in zwei Tagen müssen wir Norwegen von Larvik aus verlassen, daher werden wir die restliche Strecke noch einmal gerecht aufteilen.
Wie passend, dass die Hardangervidda auf dem Weg liegt!
Doch erst einmal wollen wir wieder in Norwegens Idylle nächtigen. Nahe Oystese finden wir so einen Ort. Am Hardangerfjord selbst ergibt sich nichts, wir verschwinden daher ein paar Kilometer abseits in die Berge zum Fitjadalsvatnet. Die Stille selbst. Die Sonne beleuchtet gerade noch so die Hänge. Und danke für die Blumen! Jemand hat den Tisch für uns dekoriert. Ich streife nach dem Essen noch herum, eine Kurve zurück zu ein paar sehr alten Bootshäuschen, aus einem Hüttchen gegenüber auf einer kleinen Insel raucht es aus dem Kamin … so friedlich.

Ich sitze im warmen Schlafsack und schaue in einen perfekten, glasklaren Morgen und den glatten See, wünsche mir, dass das Wetter heute auch so bleiben möge. 
Wir fahren die |7| am Hardangerfjord entlang weiter, über die Hardangerbrua, halten kurz am gewaltigen Låtefossen, um dann am späten Vormittag an der Haukeliseter Fjellstue in den Wanderparkplatz einzubiegen.

Wir schultern unsere Rucksäcke und machen uns auf, ein kurzes Stück in die größte Hochebene Europas zu wandern, die Hardangervidda (ca. 8.000 Quadratkilometer). Das ist genug Platz, um viele Tage fernzuwandern. Ein paar junge Leute mit schweren Rucksäcken fallen uns sofort auf, nach dem ersten Anstieg leuchtet entfernt ein kleines Zelt knallrot in der grün-weißen Landschaft.
Nach dem ersten See dünnt die Anzahl der Tageswanderer rapide aus und wir steigen weiter, ohne jetzt mehr als eine Handvoll Leute zu treffen. Wie immer möchten wir auch einen Blick von möglichst weit oben. Der Vaslenup ist einer der Gipfel in Reichweite und erscheint als unscheinbare Anhöhe rechter Hand. Wir steuern etwas querfeldein darauf zu, er ist nicht wirklich zu verfehlen. Oben sitzt erstaunlicherweise schon jemand: ein Norweger aus Stavanger. Wir unterhalten uns eine ganze Weile über Beruf, Berge, Urlaube, während sich hinter uns eine Regenwolke entlädt. Die Sonne zaubert auch noch einen Regenbogen dazu. Wunderschön ist es hier, eine traumhafte Kulisse mit weißen Sprenkeln, Seen und grünen Strukturen.

Es wird kälter, Wolken ziehen auf. Wir müssen zurück, geben ordentlich  Gas und kommen noch trocken zum Bus.

Eine tolle Himmelstimmung begleitet uns (mal wieder) auf der Suche nach einem Ü-Spot. Am Gamle Haukelivegen, der alten Panoramastraße, werden wir fündig. Ich sauge den Anblick der Fjelllandschaft noch einmal richtig auf. Morgen geht es nach Süden und ans Meer.

Auch unser letzter Tag beschert uns noch ein paar noch schöne Momente. Die beste Zimtschnecke, noch warm, und frisches Brot aus einer Waldbäckerei. Eine tolle Fahrt über die E134 und 38, nach der kargen Hochebene jetzt wieder üppig bewaldet, aber durchsetzt mit Seen und unzähligen Inseln.  Und ein halber Tag am Südufer in Ivarstrand / Brevikstranda
Wir gehen schwimmen, faulenzen auch kurz und machen Picknick auf einer ganz normalen Badewiese. 

Larvik. Gleiches Schiff, gleiche Strecke. Da wir spät von Schiff fahren, hängen wir noch eine Übernachtung an einem kleinen Waldsee in Dänemark an. Und dann möchten wir direkt nach Hause. Es ist gut so, all das will jetzt schön verdaut werden.

Bei unserer Premiere hat Norge großen Eindruck hinterlassen. Wir haben in den knapp drei Wochen eine unvergleichliche Landschaftsvielfalt erlebt, verbunden mit tollen Ereignissen und Erfahrungen: die Gletscher, die Schärenküste, die Wälder, das Fjell … Möglich war das, weil wir jeden Tag weitergezogen sind.

Es mag für den ein oder anderen stressig klingen, aber das ist es für uns nur selten. Im Gegenteil. Auf dem Weg liegen die Überraschungen. Auch das Suchen und Finden von Übernachtungsplätzen macht einen nicht unerheblichen Teil der Reise aus und ist nicht immer gleich erfolgreich. Es ist eine Art Schatzsuche. In den meisten Fällen haben wir Glück oder vielleicht manchmal auch das richtige Näschen. 

Norwegen – es gibt noch viel zu entdecken und daher hoffentlich ein nächstes Mal.

Ich freue mich und sage danke, dass ihr Interesse an meinen Erinnerungen habt bzw. hattet. Bis bald!

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